Montag, 23. September 2013

Quebec und der RoC - Diskussion „Charte des valeurs québécoises / Charter of values“



 „Charte des valeurs québécoises / Charter of values


Hallo,

wer derzeit als Deutscher in Kanada ist, wird früher oder später mit der hitzigen Diskussion zwischen Quebec und den Rest of Canada (RoC*) über die „Charte des valeurs québécoises / Charter of values“ konfrontiert. (* Das ist eine übliche Bezeichnung in kanadischen Medien.  English-Canada is often referred to as the "ROC" -Rest of Canada-)

Meine Empfehlung ist, sich nach Möglichkeit aus der Diskussion herauszuhalten. Da inzwischen aber die seltsamsten Argumente genutzt werden, um sich mal wieder über die Quebecer aufzuregen, hier einige Argumente, wie das bei uns in Deutschland, der Türkei, der Schweiz, Frankreich ist und und was der Europäische Gerichtshof dazu meint.

Kurzer Rückblick in die Deutsche Geschichte. Von Friedrich II., auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt ist der Satz überliefert: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“. Wenn es aber um die Zahlung der Steuer geht, kennen wir einen älteren Spruch: "Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" (Mt 22,15-21)

Beim Alten Fritz bezog sich der Satz auf die Religionsfreiheit. Bei Jesus auf die Trennung von Staat und Religion.

Beide Prinzipien sind genau das, was mit der „Charte des valeurs québécoises / Charter of values“ nun in der Verfassung von Québec festgeschrieben werden soll
Nicht erlaubt, wenn Staatsdiener Bürger bedienen, aber privat erlaubt.


Es geht um eine klare Trennung des Staates und seiner „Diener“ gegenüber dem religiösen Glauben der Bürger des Staates. Der Staatsdiener soll heute nicht mehr als Vertreter einer Religion dem Bürger gegenübertreten, sondern als neutraler Diener erkennbar sein.


In Europa gibt es dazu zwei Begriffe, mit denen man bei Wikipedia historische und aktuelle Informationen recherchieren kann. Von Frankreich kommt der Begriff „laïcité“ und in Deutschland wird das gleiche Prinzip als „Säkularisierung“ bezeichnet.

"French idea of laïcité, an untranslatable concept, „, schrieb ein anglo-kanadischer Journalist. Dabei können bereits Schulkinder das Konzept verstehen. Aber da es Französisch geschrieben wird – ist es natürlich nicht übersetzbar für diesen Antiquebecer. Witziges Argument. Erklärt wird das Wort bei Wikipedia natürlich auch in Englisch und Deutsch.

Laizismus
Der Begriff „Laizismus“ (laïcité) ist eine 1871 geprägte Wortschöpfung des französischen Pädagogen und Friedensnobelpreisträgers Ferdinand Buisson, der sich für einen religionsfreien Schulunterricht einsetzte. Sie geht auf den griechischen Begriff λαϊκισμός zurück für „Laie“ im Sinn von „Nicht-Geistlicher“.

Säkularismus 
Unter Säkularismus versteht man eine aus der Säkularisierung (mentaler Prozess der Trennung von Religion und Staat) und der Säkularisation (konkreter Prozess der Ablösung der weltlichen Macht religiöser Institutionen) erwachsene Weltanschauung, die sich auf die Immanenz und Verweltlichung der Gesellschaft beschränkt und auf darüber hinausgehende Fragen verzichtet.

Verschiedene Zitate. 

Diese kann man nutzen, um mit den Suchmaschinen, den gesamten Text zu finden.


Europa
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beanstandete derweil weder ein Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen im Kanton Genf noch das (weitergehende) Kopftuchverbot für Studentinnen an staatlichen Universitäten in der Türkei.


Türkei
Parlamentarierinnen und Lehrerinnen bzw. Hochschullehrerinnen sowie Angestellten im öffentlichen Dienst ist das Tragen des Kopftuchs verboten. Das gilt auch für Studentinnen an den Universitäten in der Türkei.
Lifting of ban annulled
On 5 June 2008, Turkey's Constitutional Court annulled the parliament's proposed amendment intended to lift the headscarf ban, ruling that removing the ban was against the founding principles of the constitution. The highest court's decision to uphold the headscarf ban cannot be appealed (AP 7 June 2008). http://en.wikipedia.org/wiki/Headscarf_controversy_in_Turkey


Deutschland
Auch die Arbeitsgerichte hatten sich der Kopftuchfrage zwischenzeitlich zu stellen. Die Kündigung einer Verkäuferin aufgrund ihres Kopftuchs wurde vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben, das Bundesverfassungsgericht billigte diese Entscheidung.

 Kanada
Was denken die Kanadier darüber: According to the Forum Research group, the idea of "legislation outlawing religious clothing and symbols such as hijabs, turbans and skullcaps from being worn by public employees" earns the support of 40 per cent of Ontarians, 39 per cent of Albertans, and 35 per cent of British Columbians, as well as 49 per cent of Tory voters and 39 per cent of Greens and NDPers.


Zitate aus den Kommentaren zu verschiedenen Artikeln in den kanadischen Medien.

Anglocanadian 1
"Religion is supposed to be separate from politics, Quebec is doing the right thing and I wish there were more provinces in Canada that had the same backbone.

Anglo-Canadian 2
"As an anglo on the prairies I fully support this move. It's about time that we as a country expect immigrants and religious minorities to adopt a fully Canadian way of life."
Donna Sep. 15, 2013 10:56 PM - Abuse

In my boys ‘former school, it was a "Winter Concert" and everyone said "Happy Holidays". The school administration went as far as changing the lyrics in the Christmas songs that my family has sung for generations so that "no one" would be offended - What crap...so sick of it! They now go to a school where our traditions are celebrated, as they should. The last time I checked, most companies/businesses are closed on Dec. 25th and "no one" complains that they have the day off...can’t have it both ways people!!!!!! Oh and by the way, a hijab isn't "religious"....at least that's what a Lebanese mother told me!!!!


Richardnorth:
As a gay man, I welcome this charter. I'm tired of being criticized, sneered at and judged by religionists. Some of the worst homophobia I've experienced was by the "you-know-who group" (the group that is so peaceful and tolerant). The last thing I need is to have to deal with them when I want to interface with the government. The bottom line is that a secular environment is a BETTER environment and a more humane environment for all. There used to be a time, not too long ago when the progressive movement was all about the removal of religious influence from public life. Now, somewhat ironically, it seems to have reversed. Wake up people.«



Fazit
Die derzeitige Regierung von Québec will das als Gesetz verabschieden, was wir in Europa nun seit über einem Jahrhundert als Gesetz kennen. Diese Form des geplanten Gesetzes kennen wir also auch in Deutschland. Wo ist also das Problem, das der RoC mit den Quebecern hat? Darüber ein anderes mal ein paar Zeilen.
Erlaubte religiöse Zeichen


PS übrigens ist Quebec eine „Nation within Canada“ und nicht mehr eine Provinz in Kanadas. Wer das sagt, dafür sorgte, dass es vom Parlament so verabschiedet wurde, ist der seit Jahren amtierende Premier Minister Stephen Harper. Just as Information.

Bonne chance
Maxim Pouska